Das Abenteuer der Liebe

MeisterkursDie Gräfin verzeiht, und die Zeit steht still. Das Finale der Oper "Le nozze di Figaro" zählt zum Ergreifendsten, Schönsten in Mozarts an solchem nicht eben armen Werk. Ein Abend im Schlossgarten, so will es das Libretto. Hier ohne Bühnenbild, nur das Licht wird heruntergedimmt - das genügt. Wir befinden uns im Freiburger Haus zur Lieben Hand: Bespielt wird nicht nur die Bühne (die recht niedrig ist, die Folge: Hälserecken), sondern der gesamte ausverkaufte Große Saal, den die Regie geschickt zu nutzen weiß. Durch die Stuhlreihen eilen die jungen Sängerinnen und Sänger. Ihre überschäumende Spielfreude begeistert. Oper, hautnah.

Nach zwölf Tagen ging nun der Meisterkurs "Mozart und Da Ponte - Musik und Sprache" zu Ende. 15 Teilnehmer aus drei Kontinenten studierten hier Gesang unter Anleitung von Dorothea Wirtz, Professorin an der Musikhochschule Freiburg, und Szene bei Regisseurin Ingeborg Waldherr. Daneben gab es Unterricht in Italienisch (Maria Luigia Wigand) und Vorträge.

Die Abschlussveranstaltung stand unter der Überschrift "Das Abenteuer der Liebe", gegeben wurden Auszüge aus "Le noszze die Figaro", "Don Giovanni" und "Cosi fan tutte", letztere das Stiefkind unter den gemeinsamen Arbeiten von Mozart und seinem kongenialen Librettisten Lorenzo Da Ponte, der seinen Compagnon um 47 Jahre überlebte. Ihre Zusammenarbeit: ein Glücksfall der Operngeschichte, unerreicht, trotz Strauss und Hofmannsthal, Verdi und Boito. In ihren drei, zwischen 1786 und 1790 entstandenen Opern kartographieren sie das Gebiet des Amourösen.

Mit viriler Bühnenpräsenz und beweglich-kraftvollem Bariton umgarnt Won Kim in der Rolle des Don Giovanni das Bauernmädchen Zerlina (Margarita Castañeda). Später wird er als Graf Almaviva dramatische Wucht entfalten und, siehe Vergebungsszene, Verletzlichkeit zeigen. Er ragt gesanglich wie darstellerisch aus dem weitgehend sicher agierenden Ensemble ebenso heraus wie Carolin Abeln mit ihrer emphatischen Fiordiligi und Aliya Iskhakovas Dorabeila in "Cosi".
Die komlexere Simultancharakterisierung wirkte hier freilich in manchen Ensembles noch etwas holzschnittartig, und der von Hans Kretz quirlig besorgten Klavierbegleitung eilte der Gesang zuweilen voraus. Die Arien und die prallen Parlandi des "Figaro" lagen in der Hand des musikalischen Leiters Neil Beardmore. Ezra Jung, der schon als sinisterer Strippenzieher in "Cosi" überzeugt hatte, bildete als Figaro mit der glutvollen Susanne Meike Hartmanns das Traumpaar des Abends: hochemotional und glaubhaft.
Graf und Gräfin (mit weichem Timbre: Caroline Schori) sind wieder vereint, der Chor tritt wunderbar hinzu, die Dynamik sensibel abstufend. Arm in Arm stimmen die Nachwuchskräfte ihren Jubel an. Große Freude - auf der Bühne, im Publikum.

Dennis Roth, Badische Zeitung, November 2011