Odyssee – Eine Performance

Homer in moderner Gestalt

Homer in moderner Gestalt: Das langersehnte und vielfach beschworene Wiedersehen des antiken Traumpaares Penelope und Odysseus nach zwanzigjähriger Trennung beginnt mit einem rauschhaften Gemetzel. Ein Blutbad an achtundachtzig Freiern initiiert den ersehnten Neustart. Odysseus Irrfahrt und Penelopes quälendes Warten in Ungewißheit sind zu Ende. Die Wirklichkeit hat begonnen.

In einer Rückblende setzt sich das Paar neu mit seiner traumatischen Vergangenheit auseinander.

Penelopes zwanzigjähriger Wartemodus von verlorenem Familienglück und Odysseus überwältigendes Erinnerungsgepäck von Krieg und Grenzerfahrung entwickeln sich zum explosiven Archiv einer belasteten Paarbeziehung.

Homer gespielt mit Samuel Beckett: Penelope spielt Ausschnitte der legendären Gesänge Odysseus als Tonbandaufzeichnungen ab. Doch ihr Wunsch, an dem „anderen“ Leben ihres berühmten Mannes fern von ihr und der Familie teilzunehmen, scheitert. Zurück bleibt ein tiefer Riß: Was für alle anderen bewundernswerter Starkult, gigantisches Abenteuer und Ruhm ist, bedeutet für sie endgültiger Verlust, Schmerz und Einsamkeit.

Das Resultat der Rückblende stellt den letzten gemeinsamen Lebensabschnitt in Frage. Zwanzig Jahre verlorenes Lebensglück sind und bleiben verlorene Lebenszeit, unwiederholbar.
Der große Mythos von „sensation seeking“ wird zur Dauerkrise, zu einer beklemmenden Beziehungsrealität und offenbart die Entfremdung. Odysseus Erinnerungsmaterial bestimmt die Gegenwart.

Das moderne Beziehungsdrama ist ein Dialog von Schauspiel und Musik. Mit zwei jungen Schauspieler/in und zwei junge Komponistinnen der Hochschule für Musik Freiburg wurde die neue kurze Textfassung zu einem modernen Stück umgearbeitet. Drei junge Solisten begleiten die Schauspieler auf ihrer szenischen Reise.

Impressionen (Premiere)

Fotografien: Stefan Pangritz

Video (Ausschnitt)

Mitwirkende

Start-Information

Studio für Filmmusik | Mitglieder des Ensembles des Instituts für Neue Musik | Ilja Baumeier und Kaija Ledergerber Schauspiel | Lion Koch Regieassistenz | Ingeborg Alice Waldherr Regie || Homer mit Beckett erzählt. Eine musikalisch-literarische Bearbeitung des antiken Stoffs | Ingeborg Alice Waldherr Idee und Bearbeitung | Marie-Luise Calvero und Vasiliki Kourti-Papamoustou Komposition UA

Stimmen der Mitwirkenden

Dimitris Pekas, Musiker: „Was mich an diesem Stück fasziniert ist das alles neu, frisch und formbare ist.. die Inszenierung und die Musik. Es ist echt eine tolle Erfahrung und Glück, gleichzeitig mit den Schauspielern, den Musikern, der Regie und den Komponisten zusammen ein so altes und so bekanntes Stück neu zu entdecken und arbeiten. "

Marusa Groselji, Musikerin: „Als ich für das Projekt angefragt wurde, war ich von der Idee und ganzem Konzept sehr begeistert, weil ich es spannend finde, wie man zwei total verschiedene künstlerische Perioden (Odyssee aus Antike und Musik des 21. Jahrhunderts) zusammenbringen kann. Außerdem ist die Geschichte eines der wichtigsten Werke, das je geschrieben wurde und das wir alle kennen, was es um so interessanter macht, es in einer anderen Version vorstellen zu können und dabei die Gelegenheit zu haben, die Musik, die heutzutage komponiert wird und mit der wir, die Musiker, so nah verbunden sind, auch dem Publikum vorzustellen, das sie bis jetzt noch nicht kannte.“

 Ilja Baumeier, Schauspieler: „Ein Mythos wie der der Odyssee, aus der Perspektive Penelopes zu erzählen finde ich interessant. Ebenso Fragen wie: Was ist Odysseus noch, außer der Mythos des Superheros, der seine sensationelle Erinnerung mitteilen möchte? Wie entwickelt sich die Beziehung der beiden, in dem sie sich an der traumatischen Vergangenheit abarbeiten? Welchen aktuellen Bezug zu Heute kann man dabei feststellen?“

Marie- Luise Calvero, Komponistin: „Als Komponistin und selbsternannte (Hobby) Dichterin liegt mein Interesse in der Verwebung von Musik und Sprache. Die Zusammenarbeit finde ich auch eine tolle Möglichkeit, um neue Ideen zu sammeln und um die eigene Perspektive zu erweitern.“

Ingeborg Waldherr, Regisseurin: „Mit einem so engagierten und offenen Team von Musikern und Schauspielern eine neue Erzählweise des legendären Mythos zu entwickeln und in dem Alten das für uns heute Wichtige zu entdecken, ist eine äußerst interessante Arbeit. Der Rückgriff auf dramaturgische Theaterformen wie die Beckettschen fordert alle Beteiligten zu neuer künstlerischer Auseinandersetzung und Sicht auf die „Odyssee“ heraus.“

Lion Koch, Regieassistent: „Die „Odyssee“ ist ein riesiges Stück Weltliteratur, zu dem man heutzutage nur schwer einen Zugang findet. Diese Bearbeitung zeigt ein Epos, das vor über 2000 Jahren entstanden ist und Probleme behandelt, die jeder kennt und nachvollziehen kann aus einer etwas anderen Perspektive. In Kombination mit Livemusik versinkt man immer tiefer in einer Epoche lange vor unserer Zeit, die heute aktuell wie eh und je geblieben ist.“

Kaija Ledergerber, Schauspielerin: "Wie geht Penelope mit dem Schmerz und der Angst um, nicht zu wissen, ob ihr geliebter Mann jemals nach Hause kehrt? Und wenn er dann da ist, sie jedoch nicht richtig zueinander finden, aufgrund des Erlebten, welche Möglichkeiten bleiben ihr dann noch in dieser Beziehung? Was braucht es, um vollständig, mit jeder Faser des Körpers und der Seele nach einer Odyssee nach Hause kehren zu können? Ist es überhaupt möglich? Diese Fragen sind es, die ich ergründen und damit dieses antike Paar durchleuchten will.“

David Auli, Musiker: „I only had experiences playing in orchestras and ensembles, and it would be for the first time to work with theatre. Overall, I find it a great opportunity to work and integrate music with another art – which are speech and drama.”

Vasiliki Kourti-Papamoustou, Komponistin: “While Odysseuy’s story unravels, music reacts like a self- sufficient living organism, who in parallel reveals Penelope’s point of view.”

Presse & Stimmen

Die „Odyssee“ im Museum August Kestner: das passt! Nicht zum ersten Mal widmete sich eine Theater- bzw. Bühnenadaption in Hannovers ältestem städtischen Museum diesem Stoff, der zu den ersten ‚Bestsellern‘ der europäischen Literaturgeschichte zählt. Der Spielort schlägt mit seinen Sammlungen – vom Alten Ägypten, der griechisch-römischen Antike, über das europäische Mittelalter bis hin zur Moderne des Produktdesigns – Brücken in die Gegenwart. Dies ist auch mit der Version der Freiburger Odyssee-Projektgruppe um Ingeborg Waldherr in besonderer Weise gelungen.

Im Rahmen des Begleitprogrammes zur aktuellen Sonderausstellung „Beziehungskiste. Über Kommunikation“ (noch bis 18. August 2018) konnte die Bearbeitung „Odyssee – Eine Performance“ zeigen, wie aktuell dieses Werk immer noch ist. Die „Beziehungskiste“ zwischen Odysseus und Penelope, zwei Jahrzehnte auf eine harte Probe gestellt, birgt in dieser Inszenierung alles andere als die Erfüllung langgehegter Träume. Überglücklich über die Rückkehr des Partners und die Wiedervereinigung als Paar, bemerken beide, dass ein gemeinsames Ehe- und Familienleben nicht ohne weiteres möglich ist. Das Ende bleibt offen, der Zuschauer hofft aber, dass die beiden den Neustart schaffen – nicht zuletzt auch aufgrund der wunderbar lebendigen Spielfreude der Hauptprotagonisten Kaija Ledergerber (Penelope) und Ilja Baumeier (Odysseus).

Die Freiburger „Odyssee“ wäre aber nicht komplett, wenn nicht die Emotionen und inneren Kämpfe des mythischen Paares durch feinsinnige Musik Begleitung erfahren würden. Die Musik von Marie-Luise Calvero und Vasiliki Kourti-Papamoustou in einer ungewöhnlichen Instrumentierung von Cello (Dimitris Pekas), Schlagwerk (David Auli) und Flöte (Marusa Groselji), tritt als dritte gleichberechtigte Protagonistin in einen spannungsreichen Dialog mit Odysseus und Penelope ein.

Ein gelungener Abend, der Lust macht, sich den „dicken Schinken“ Homers mal wieder aus dem Regal zu nehmen.

Anne Viola Siebert, 07.06.2018