"Ein Albtraum, in dessen fiebriger Selbstbezogenheit die Inszenierung doch kurzweilig den Spagat zwischen Tragik und Komik, Wahn und Analyse hält (...) Waldherrs Inszenierung setzt diesen inneren Kampf grandios in Szene."

→ Badische Zeitung, 05.07.2013
Fotos: © Martin Geier

Seit acht Jahren hat sich H. in sein Zimmer eingeschlossen und verweigert sich konsequent der Gesellschaft, die außerhalb dieser wenigen Quadratmeter liegt. Mit der Außenwelt tritt er nur noch über Chatrooms im Internet in Kontakt. Er ist resistent geworden gegen Leistungsansprüche und Erwartungen der Gesellschaft und "outet" sich in einer schonungslosen Abrechnung mit den Glücksversprechen seiner Umgebung. Mutter und Schwester stehen hilflos daneben. Hin- und hergerissen zwischen Apathie, Überdruss und Schuldgefühlen gelingt es ihnen nicht, in seine Einsamkeit vorzudringen.

Die Inszenierung des Ein-Personen-Stückes gewährt Einblick in einen explosiven Dialog zwischen Innen-, Außen- und Fantasiewelt. Abgeschottet regrediert er in seinem Medien-Kosmos zu einem faszinierenden "Kaspar Hauser", dem die Welt und seine sinnlichen Wahrnehmungen abhanden gekommen sind. Faszinierendes, kurzweiliges und multimediales Sprechtheater in Verbindung mit Musik und Choreografie führt ein hoch aktuelles und brisantes Thema vor Augen: Onlinesucht und die mögliche Isolation via Internet.

Schulen können die Inszenierung als Gastspiel mit theaterpädagogischem Begleitprogramm buchen.

Mitwirkende

Mitwirkende

Der Schüler H: Manuel Schunter / Julian Mücke
Mutter: Ingeborg Waldherr
Schwester: Caroline Bellmann
Choreografie: Dagny Borsdorf
Musik: Konrad Wiemann
Theaterpädagogik: Caroline Schnapp
Bühne/Kostüm/Video: Silvio Motta
Licht: Holger Göller
Projektionstechnik: Friedr Schneider
Ton: Hanns Wissert / Janis Klingenberg
Projektträger: Kulturkreis im Staatlichen Schulamt Freiburg e.V.
Kooperation: Aktionskreis Suchtprophylaxe Freiburg e.V.

Vorstellungen 2013/2014

Vorstellungen

15. Oktober 2013 Schule Schloss Salem
23. + 24. Oktober 2013 Mannheim
25. Oktober 2013 Internationales Theatertreff Lörrach
2013 Weitere Vorstellungen in Planung
31. Januar 2014 Festival Teatro Inverso, Brescia
01. Februar 2014 Festival Teatro Inverso, Brescia
Frühjahr 2014 Hochschule Mannheim

Presse & Stimmen

Presse & Stimmen

Katalysator für stille Jungs

Ein-Mann-Stück "Hikikomori" in der Rainhofscheune lenkt auf die Gefahren und Abgründe der Online-Sucht.

KIRCHZARTEN. Vollkommen isoliert von der Außenwelt zu leben, nur noch virtuellen Kontakt zu Mitmenschen zu haben, das ist heutzutage durch das Internet möglich. So lebt auch die Hauptfigur des Theaterstücks "Hikikomori", das in der Rainhofscheune Premiere hatte. Die Theaterregisseurin Ingeborg Waldherr inszenierte das Ein-Mann-Stück.

Hikikomori ist der japanische Begriff für Jugendliche, die sich vollständig von ihrer Umwelt isolieren und nur noch Kontakt über das Internet haben. Der junge Mann H., gespielt von Manuel Silvan Schunter, hat sich seit acht Jahren in sein Zimmer eingeschlossen. Er kommuniziert mit seiner Mutter und Schwester nur noch über Chatrooms. Die Onlinesucht ist nur ein Teil seiner verzweifelten Situation, spiegelt aber seine Hilflosigkeit wider. Er ist hin und hergerissen zwischen euphorischen Moment und Autoaggression. Die innere Verzweiflung fasst H. selbst so zusammen: "Ich würde gerne mal wieder raus, aber ich habe vergessen, wo die Türe ist." In einem mitreißenden Monolog zeigt Schauspieler Schunter all die Facetten seiner Figur.

Das Stück von Holger Schober hat die Regisseurin Waldherr sofort angesprochen, weil sie es stark in Verbindung mit dem Amoklauf in Winnenden bringt: "Das Thema ist hochaktuell. Es geht um einen isolierten Jugendlichen, der alleine gegen Konflikte kämpft und niemanden hat, der ihn in seiner Einsamkeit versteht", so Waldherr.

"Ich komme ja vom Körpertheater, Frau Waldherr vom Sprechtheater", erklärt der Schauspieler. Die beiden haben sich in Venedig kennengelernt, die Chemie stimmte sofort. Bei den ersten Proben sei ihnen innerhalb von zehn Minuten klar gewesen, dass sie das Stück auf die Bühne bringen wollen.

Durch das Bühnenbild mit den zahlreichen Lichtinstallationen wird die Inszenierung noch abstrakter. Das "Zimmer", in dem H. haust, ist ein schlauchartiges Gebilde, auf der Bühne gibt es keine Requisiten. Nur ein paar Licht- und Soundeffekte gehören zum Repertoire des Stücks, ansonsten ist da nur die Figur, die ihre psychischen Ebenen offenbart.

Das Theaterstück wird auch an Schulen aufgeführt, da das Thema gerade für Jugendliche so aktuell ist. Die Theaterpädagogin Viola Sinn hat dafür ein Rahmenprogramm zur Vor- und Nachbereitung extra für Schulen erstellt. Sie kommt in den Unterricht und erarbeitet gemeinsam mit den Schülern die Thematik des Stücks und Lösungsmöglichkeiten.

"Es ist ein Stück der stillen Jungs, die es überall unter uns gibt", so Sinn. Vielleicht könne das Theater ja als Katalysator für solche stillen Jungs dienen und so dramatische Ereignisse wie in Winnenden vorbeugen.

Badische Zeitung, 18.01.2012

Nur noch im Internet unterwegs - Interview mit Ingeborg Waldherr

Ein Theaterstück für Schüler greift das Problem der Onlinesucht auf.

Nach einer aktuellen Studie für das Bundesgesundheitsministerium gibt es in Deutschland inzwischen mehr Internetsüchtige als Glückspielabhängige. Betroffen sind vor allem Jugendliche. Regisseurin Ingeborg Waldherr und Theaterpädagogin Viola Sinn bringen mit Holger Schobers Einpersonendrama "Hikikomori" das Phänomen der Onlinesucht speziell für Schüler auf die Bühne. Hikikomori - das ist der japanische Begriff für Jugendliche, die sich vollständig von ihrer Umwelt isolieren und nur noch über das Internet in Kontakt treten. Petra Völzing sprach mit Ingeborg Waldherr über die Inszenierung.

BZ: Onlinesucht ist schwer fassbar. Es stellt sich die Frage, was ist noch normal und wo fängt das Suchtverhalten an. Wie bereiten Sie das Thema für die Bühne auf?

Ingeborg Waldherr: Es geht nicht darum zu zeigen, was ein Internetsüchtiger tut, wie lange er online ist, welche Spiele er runterlädt oder wo er chatted. Wir wollen zeigen, wie es in dem Menschen aussieht, welches die Beweggründe für seine selbstgewählte Isolation sind. Häufig spielen Konflikte und Überforderung eine Rolle - schwierige Schulerfahrungen, Probleme mit den Eltern, der hohe Leistungsdruck. Das Internet ist dann Flucht und Ventil zugleich. Wir zeigen den inneren Dialog des Protagonisten - hin- und her gerissen zwischen Allmachtsfantasien und tiefster Verzweiflung - dann lernt er im Netz ein Mädchen kennen - sie wird für ihn zur Erlösungsvision. Der junge Schauspieler Manuel Silvan Schunter agiert sehr körperbetont. Er ist auch Artist. Beim Bühnenbild spielen Videoprojektionen und Lichtstimmungen eine große Rolle. Diese bleiben jedoch immer abstrakt-symbolisch.

BZ: Wie werden die Schüler einbezogen?

Ingeborg Waldherr: Es gibt ein theaterpädagogisches Begleitprogramm. Viola Sinn hat zu dem Stück einen Leitfaden erstellt, den Lehrer zur Vorbereitung im Unterricht verwenden können. Auf Wunsch kommt sie auch zur Nachbereitung in die Klassen. Dort entwickelt sie mit den Schülern beispielsweise in szenischem Spiel Lösungsmöglichkeiten.

BZ: Meinen Sie, dass Sie mit der Inszenierung gefährdete Jugendliche erreichen können?

Ingeborg Waldherr: Ich glaube das schon. Allerdings denke ich, dass auch Lehrer und Eltern sich das Stück ansehen sollten, denn es ist ihre Aufgabe, die Jugendlichen bei diesem Thema abzuholen. Ich als Regisseurin arbeite das Thema künstlerisch auf. An diesem Punkt endet meine Kompetenz.

BZ: Für welche Stoffe können Sie sich besonders begeistern?

Ingeborg Waldherr: Am liebsten habe ich Themen, die Raum geben für hoch geladene Emotionalität, deshalb beschäftige ich mich auch gerne mit Musiktheater. Die Bühne ist ein Freiraum, wo ich mich von der Leine lassen kann. Dort kann ausgesprochen werden, was man im Alltag normalerweise zurückhält.

Badische Zeitung